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Blog Post

Die moderne Medizinfrau

  • von Shani Kangaga
  • 17 Mai, 2018

Finde deine Medizin

Der Archetyp der Medizinfrau kehrt unaufhaltsam in die moderne Welt zurück und erlebt in der westlichen Gesellschaft eine Renaissance. Viele Frauen versuchen, die Kraft der Medizinfrau wieder aufleben zu lassen, und möchten uraltes Wissen auch heute erwecken, umsetzen und in den Alltag integrieren.

Bei dem Gedanken an eine Medizinfrau, hat man meist das Bild einer traditionellen Heilerin oder Schamanin vor Augen. Medizinfrauen sind spirituelle Spezialistinnen, die besondere Kenntnisse und Fähigkeiten der Heilung und Weissagung besitzen. Sie sind weise Frauen und verfügen über magische Kräfte und ein Wissen, das andere Menschen nicht haben oder niemals erhalten werden.

In einem traditionellen Kontext mag diese Beschreibung einer Medizinfrau stimmig sein. Der Platz einer Medizinfrau in einer traditionellen Gesellschaft ist klar definiert. Sie muss die spirituelle, religiöse Rolle einnehmen und ist innerhalb der Gemeinschaft die heilerische und rituelle Instanz. Nur sie hat die Fähigkeit als Vermittler zwischen der Ahnen-/ Geisterwelt und den Menschen zu fungieren und ihre magischen Kenntnisse zum Wohle der Gemeinschaft einzusetzen. Dadurch nimmt sie eine wichtige Rolle im Kollektiv ein und genießt einen hohen Stellenwert im sozialen Gefüge.

Eine Medizinfrau arbeitet im Dienste der Gemeinschaft und kann unter anderem als Pflanzenkundige, Geistheilerin, Trancemeisterin, als Seherin und Orakel, Ritual- und Zeremonialmeisterin, Lehrerin, Hebamme oder gar als weise Geschichtenerzählerin wirken. Je komplexer die Gesellschaftsstruktur, desto mehr Formen der Spezialisierung verschiedener Aufgaben einer Medizinfrau existieren.

Medizinfrauen in traditionellen Gesellschaften durchleben Initiations- bzw. Übergangsriten  und langwierige Prozesse, um an das Wissen zu gelangen, das sie für ihre Arbeit benötigen. Sie werden von den Ahnen, Geistern oder anderen Medizinpersonen gelehrt und unterrichtet. Ihre Fähigkeiten müssen geschult und schließlich vor der Gemeinschaft bewiesen werden.

Doch wie verhält es sich in der westlichen Gesellschaft, in der die „rites de passage“ – die Übergangsriten, welche in nicht-industriellen Gesellschaften ein fester Bestandteil des sozialen Lebens sind, hier jedoch an Gewicht und Bedeutung verlieren? Kann eine Frau auch in der modernen Welt eine Medizinfrau werden und den Übergangsritus von Nichtwissen zu Wissen rituell bewältigen? Muss eine Medizinfrau eine traditionelle Initiation erleben, um überhaupt eine Medizinfrau sein zu können?

Für das Wirken einer Medizinfrau im Sinne einer traditionellen Auslegung, fehlt in der modernen Welt schlicht und ergreifend der nötige anerkannte soziale Raum. Anders als in vielen traditionellen Kulturen hat die moderne Medizinfrau nicht diesen hohen Stellenwert innerhalb der westlichen Gesellschaft. Für moderne Medizinfrauen existieren andere Lebensräume, andere Umstände und Probleme, mit denen sie konfrontiert sind und an die sie sich anpassen müssen. Die Definition der traditionellen Medizinfrau muss hier erweitert bzw. zu ihrem Kern zurück geführt werden. Denn eines haben die traditionellen und die modernen Medizinfrauen gemeinsam: Sie haben ihre innewohnende Medizin gefunden und erweckt!

Viele Frauen auf diesem Planeten spüren den Ruf der Medizinfrau in ihren Herzen und erinnern sich an ihre Medizin. Diese Frauen befinden sich auf einer Reise und wollen ihre Gaben, ihr intuitives Wissen und ihren inneren Reichtum im alltäglichen Leben integrieren und auch teilen, und zwar ganz anders als jemals zuvor.

Kein alter Archetyp soll erweckt und auch keine Art von traditioneller Medizinfrau soll gelebt werden. Es geht bei der modernen Medizinfrau nicht darum, eine besondere Stellung innerhalb einer Gemeinschaft einzunehmen. Sie kann, muss jedoch keine besonderen magischen Fähigkeiten besitzen oder über Heilerkräfte verfügen.

Entscheidend ist, dass sich die moderne Medizinfrau darüber bewusst ist, dass sie über eine Medizin verfügt: Sei es ein kreatives Talent, das tiefe Verständnis einer Mutter für ihre Kinder, die Empathie einer Freundin oder Gefährtin, ein Interesse, das andere inspiriert, bemächtigt oder ermutigt. Ihre Medizin muss nichts Spektakuläres sein, sondern kann ganz leise und subtil in dieser Welt wirken.

Der modernen Medizinfrau ist bewusst, dass sie über eine unglaubliche Bandbreite an Werkzeugen und Talenten besitzt, denen sie vertraut. Sie braucht keine Anerkennung von außen und auch keine feste Rolle in einem sozialen Gefüge oder einen bestimmten gesellschaftlichen anerkannten Status als Medizinfrau. Sie ist frei. Sie stellt sich einfach der Komplexität der modernen Welt und findet ihren Weg.

Die entscheidende Aufgabe – und dies ist ihre eigentliche Initiation- ist das Finden ihrer Medizin. Frei nach Pablo Picassos Worten „Ich suche nicht – ich finde! Suchen – das ist Ausgehen von alten Beständen und ein Finden-Wollen von bereits Bekanntem im Neuem. Finden – das ist das völlig Neue!“, soll die moderne Medizinfrau den Mut haben, ihren ureigenen Weg zu gehen, um ihre Medizin nicht zu suchen, sondern zu finden, um daraus etwas Neues zu kreieren.

 

Also finde Deine Medizin, lebe sie und teile Deine Gaben in Deinen Freundschaften, in Deinen Beziehungen und Deinen Familien! Denn die Welt braucht moderne Medizinfrauen, die in ihre Kraft kommen!

 

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